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LAST MEMORY: HÜLYA S.



Textauszüge


© Mirko Böttcher 2010




YÜKSEL: Der Taucher kam auf einem Büffel aus dem Wasser gesprungen. Ich musste ihr helfen.

JAN: Sicher.

YÜKSEL: Ich blick nicht mehr durch.

JAN: Das seh ich.

YÜKSEL: Das was ich weiß, glaubt mir keiner. Aber die Dinge bei denen ich mir unsicher bin, scheinen alle anderen zu wissen.

JAN: Du brauchst ne Orientierung. Ein Ziel. Etwas, was das Gerede der Menschen um Dich herum entschärft. Das ganze Zerren der anderen darf nicht mehr sein als ein Hintergrundplätschern, sonst wird es gefährlich für Dich.

YÜKSEL: Plätschern? Genau das meint ich eben.

JAN: Was?

YÜKSEL: Versteh ich nicht.

JAN: Du kannst Dir alles vorstellen. Das was Du mal warst und das, was Du mal sein wirst.

YÜKSEL: Klar kann ich das.

JAN: Das ist aber ein Zustand, der nur gut ist, wenn er in Deinem Kopf ist. Wenn das im Leben auch so ist, dann erfrierst Du.

YÜKSEL: Was kann ich machen, wenn der Zustand aus dem Kopf ins Leben schwappt?

JAN: Du musst für was sein und du musst gegen was sein. Das wärmt Dich.

YÜKSEL: Ich weiß ja nicht mal, wo rechts und links ist.

JAN: Ist egal. Du musst nicht unbedingt wissen, wie die Richtung heißt, in die Du gehst.

YÜKSEL: Also, ich geh in eine Richtung und dann wird das Gerede der anderen zum Plätschern.

JAN: So ungefähr.

YÜKSEL: Oder ich bleib stehen und rauch noch einen.

JAN: Das würd ich Dir nicht empfehlen. Komm ich zeig Dir was.

TAMER: Yüksel. Es ist 23.47. Du wolltest vor 17 Minuten zu Hause sein.

YÜKSEL: Hab ich ganz vergessen, entschuldige.

JAN: Plätscher…

TAMER: Immer muss ich Dir nachlaufen. Wann wirst Du endlich erwachsen?

JAN: Plätscher, plätscher.



HORST: Ich verkauf Sicherheit. Dazu brauch ich Nachfrage. Und die entsteht durch Angst. Wenn sie so wollen, bin ich im Angstgeschäft tätig, das gleichzeitig das Schutzgeschäft ist. Ich beschütze. Sonst funktioniert nix. Betriebe, Familien, der Staat. Muss alles beschützt werden. Is alles nich so fest zusammengekittet wie es immer aussieht. Ich muss sehen, wo sich der Kitt löst oder wo gar keiner is, wos zusammenstürzen kann, wenn man nix tut. Da geh ich dann ran. Und stütze. So dass es grad hält. Zuviel wär schlecht fürs Geschäft. Wir sind also in derselben Branche tätig.

KOMMISSARIN:Ich muss kein Geschäft machen. Ich muss mögliche Wahrheiten einkreisen.

HORST: Das klingt ja ziemlich ungefähr.

KOMMISSARIN: Das Schwierige ist doch zu Erkennen, wo der Kitt morsch ist oder wo die Löcher sind.

HORST: Na, wennse keinen Plan haben is natürlich alles schwierig.

KOMMISSARIN: Natürlich hab ich einen Plan.

HORST: Wie sieht der denn aus?

KOMMISSARIN: Sie werden einer versuchten Vergewaltigung beschuldigt.

HORST: Das is ja herrlich. Kanakenlatein, was?

KOMMISSARIN: Das spielt keine Rolle.

HORST: Das würd ich aber schon sagen, dass das eine Rolle spielt. Beim Einkreisen. Wer was gesagt hat. Und was derjenige für einen Plan hat. Kennen Sie denn den Plan von demjenigen Menschen?








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HÜLYA: Lilien und Bach. So hätt ich’s gewollt. Ganz deutsch. Tief und traurig.
Ein weißes Blumenmeer. Ich war ja noch so jung. Mein Leben lag noch vor mir. Und dann mein Vermächtnis, über das leiser werdende Adagio:„und deswegen bereue ich nichts, denn ich habe gelebt und ich habe geliebt.“

KOMMISSARIN: Wie kitschig.

HÜLYA: Und Jan, war er traurig?

KOMMISSARIN: Er redete tonlos vor sich hin, starrer Blick, den Kopf gesenkt. Sein Vater war nicht da.

HÜLYA: Besoffen auf dem Sofa.

KOMMISSARIN: Mag sein

HÜLYA: Was hatte er an?

KOMMISSARIN: Einen schwarzen Anzug, der ihm zu groß war, mit Krawatte.

HÜLYA: Wie süß.

KOMMISSARIN: Dein kleiner Bruder...Wie hieß der noch einmal?

HÜLYA: Yüksel

KOMMISSARIN: ...genau Yüksel war völlig außer sich.

HÜLYA: Hat er geweint?

KOMMISSARIN: Er hat gar nicht mehr aufgehört.

HÜLYA: C`anim, benim. Und Tamer?

KOMMISSARIN: Unnahbar.

HÜLYA: Wie immer.

KOMMISSARIN: Was hatte der noch mal an?

HÜLYA: Seinen Pullunder.

KOMMISSARIN: Genau. Und so eine Bügelfaltenhose.

HÜLYA: Ja. Richtig. Die Bügelfaltenhose.

KOMMISSARIN: Er roch nach Kokos.

HÜLYA: Mir wird jetzt noch schlecht. Sein ganzer Kleiderschrank war voll mit gelben Wunderbäumen.

KOMMISSARIN: Das erinnert mich an Goa.

TAMER: Das ist mein Parfüm.

KOMMISSARIN: Das ist kein Kaufhausduft.

TAMER: Eine Spezialmischung, die mir ein Freund aus Istanbul anfertigt. reicht ihr ein Kärtchen

KOMMISARIN: Selbst das Kärtchen riecht danach. Am Körper riecht es aber anders.

TAMER: Individuell abgemischt. Parfum riecht bei jedem anders.

KOMMISARIN: Darf ich das jetzt behalten?

TAMER: Sicher.

KOMMISARIN: Heiß heute.

HÜLYA: Lass Dich nicht von ihm einwickeln.

KOMMISARIN: Bitte, ich muss mich konzentrieren.

HÜLYA: Es geht um meinen Mordfall.

KOMMISARIN: Guckt sich um. Tamer ist weg. Mist. Filmriss.

HÜLYA: Die Wunderbäume.

KOMMISARIN: Du meinst das Parfüm.

HÜLYA: Kokos.

KOMMISARIN: Mmh, Goa…

TAMER: Hülya ist in ihr Unglück gelaufen, also musste ich mit ihr reden.

HÜLYA: Reden? Er hat mich fertig gemacht!

KOMMISSARIN: Warum?

TAMER: Sie hat nie verstanden, wer sie ist, woher sie kommt, was wichtig ist im Leben.



KOMMISSARIN: Mit dem kämpfst Du jetzt also jeden Tag im Computer für das Gute?

JAN: Ja! Also in Cinvat. Aber ich kämpfe nicht nur, ich versuche auch das Spiel zu verbessern.
Ich bin gerade dabei Konzept zu entwickeln, das es ermöglicht, dass Deine Taten im realen Leben, Einfluss auf das Spiel haben: Ein Reality System, in dem der Moralscore auf der Awesta Skala auf Dein normales Leben reagiert.

KOMMISSARIN: Der Moralscore, was ist das?

JAN: Deine Moralpunkte, die man dann auf der Awesta Skala ablesen kann. Ich stell mir das so vor, dass Du eine Gruppe von absolut integeren Vertrauten brauchst, die der guten Sache total verpflichtet sind. Wenn Du im Leben ne gute Tat ins Spiel einzahlen willst, dann musst Du Dich an Deine Vertrauten wenden, die Deine Tat prüfen und bewerten und für die gute Tat bürgen.
Dann steigt nämlich deinen Moralscore. Und wenn du noch nen relativ niedrigen Moralscore hast, also wenig Punkte, dann brauchst Du mehr Bürgen. Und je höher Du steigst, desto weniger Bürgen brauchst Du, bis du schließlich als Vertrauter selber prüfen und bewerten darfst.

KOMMISSARIN: Und wer überprüft die Prüfer? Oder sind die dann per se gut?

JAN: Die sind so verwoben mit der guten Sache, dass sie gar nicht anders können, als in die richtige Richtung zu gehen.

KOMMISSARIN: Ist die Richtung in die dein Vater geht die richtige Richtung?

JAN: Er säuft. Deswegen hat ihn sein Kompagnon aus seiner eigenen Sicherheitsfirma geschmissen. Und jetzt säuft er noch mehr.

KOMMISSARIN: Wann hat das angefangen mit der Sauferei.

JAN: Nach der Wende hat Mama ihn verlassen. Nachdem sie erfahren hat, was er im Osten gemacht hat.

KOMMISSARIN: Und Du bist bei Deinem Vater geblieben?

JAN: Sonst wär er ganz allein gewesen.