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STÖRFALL BOSKOOP



Textauszüge


© Landesbühne Berlin 2011




M: Irgendwann, ich weiß nicht mehr so genau, wann, kippte es. Mein Leben schrumpfte nur noch.

G: Wie kann man sich das vorstellen?

M: Es verrinnt unter meinen Händen und ich sehe ihm dabei zu. Ich bin gelähmt, wie im Angesicht einer Gewaltattacke und ich denke, schon wieder Mittag, schon wieder Freitag, schon wieder November, schon wieder Frühling.

G: Das geht vielen so.

M: Die Jahre verfließen und ich werde nicht der, auf den hin ich mich angelegt habe. So habe ich mich nicht gemeint. So wie ich hier stehe.

G: Ja, wie denn dann?

M: Hoffnungen, Pläne, Zukunft, das Brennholz meiner Seele ist einfach in Flammen aufgegangen.

G: Alles wegen dieser Anja?

M: Sie steht wie eine Sphinx am Eingang meines Tunnels. An ihr misst sich alles. Alles andere ist uneigentlich in meinem Leben.
Das Weniger ist mein zu Hause.

G: Ist ja manchmal auch ganz gut: Weniger ist mehr…

M:. Ich sehe nur Ruinen in schönen Gebäuden, ich sehe die Skelette in den Frauen, die ich liebe. Ich trete gegen Bäume und verletze mich, weil ich denke, die sind ja schon morsch. Falten, um mich herum nur Falten, ich lebe in einer Faltenwelt.

S: Dann bring dich doch um! Gibs auf!

G: Sie sollten vielleicht mal eine Therapie machen?

M: Mein Körper, eine mäßig brauchbare Schutzhülle.

G: Also, ich für mich, steh eigentlich auch für etwas anderes, aber ich mach trotzdem mit.

M:. Meine Gewissheiten, zerplatzte Seifenblasen, die Schallplatte meiner Biografie, zerkratzt. Ich bin abgestürzt. Anja, wenn Du mich hörst, melde Dich bitte, I`m sad, I`m so sad. Look at me! Oh Gott ich hab schon wieder diesen Schwindel.

S: Mann! Eine Kaufanregung ist dein Schwindel! Das sind von der Pharmaindustrie installierte Zustände, um bestimmte Medikamente absetzen zu können.

G: Das älteste Gewerbe der Welt: Die Angstindustrie!

M: Meine Erregung ist doch keine Kaufanregung, die ist ernst, in mir, die schreit.

G: Mal den anderen anfassen und spüren, nicht immer nur sich selbst. Raus aus der ständigen hypochondrischen Selbstbefassung

S: Du brauchst eine richtige Katastrophe, die ein Umehr fordert, dann wäre auch dein Schwindel weg.

M: Da müsst ich ja erst mal raus kriegen, welche von den Katastrophen, die mich medial umgeben überhaupt echt ist.

S: Mach ich ja unglaublich gerne, aufm Sofa sitzen und mitm Bier inner Hand und Untergangsszenarien ausdenken.

M: Machen die Regierungen ja auch ständig. Und dann zetteln sie Kriege an. Und dann: Volle Marktentfaltung in vernichteten Landstrichen.

G: Bier, seit wann trinkst du Bier?

M: Bier für Neger und Islamisten. Burger für Beschnittene.

G: Ich hab dich noch nie mit `nem Bier gesehen.

M: Und die schlagen dann zurück: ten eleven, eleven eleven, twelve eleven…



S: In unserer Reihe „Bude Bauen“ hören sie heute „Der Tag des Freifliegers“ mit
Frau H.  Können Sie das unseren Hörern noch mal schildern, wie das war: Der grüne Wellensittich Putzi…

G: Blau.

S: Gut, also der blaue Wellensittich Putzi kehrt zurück und schmiegt sich an den Hals des kleinen Jungen.

G:  Ja, also Putzi, der war ja Freiflieger.
Wissen Sie, immer wenn ich einem Mann nachschaue, schaut der gerade einer anderen nach. An mir wird ständig vorbei gelächelt.

S: Wo waren Sie in dem Moment, als der Junge sein Liebstes wieder bekam?

G: Im Wald natürlich, wie alle. Wissen Sie, ich befinde mich schon seit einigen Jahren im Alter des sexuellen Pragmatismus.

S: Die Sonne schien durch die Baumwipfel?

G: Das lindert die geschlagenen Wunden etwas. Einige wenige, aber doch entscheidende Kriterien müssen erfüllt sein, und schon sende ich grünes Licht zur Paarung. Mein Kapital ist mein Arsch. Sehen Sie.

S: Ja, in der Tat.  Der Putzi…
G:  Aber wie lange noch? Ich muss mich schleunigst auf andere Werte besinnen als das Körperliche. Das ist ja so brutal, das Körperliche, aber halt auch so schön wie kaum was, wie nichts.

S: Der Vogel…

G: Völlig unkontrollierbar! Es muss ersetzt werden, dringend. Bloß, durch was?
Wie kann man diesen leeren Schacht bloß füllen? Ich schütte…

S: Die Freifliegerei…

G: Ich schütte Sand in den Brunnen. Vielleicht bleibt ja irgendwann etwas am Boden liegen, nur ein paar Körnchen, Belohnungssand, Fleißkörner sozusagen.

S: Der Sittich! Wellen….

G: Geistiges, Charakterliches, Moralisches, überhaupt: Innerliches. Ich werde solange schütten bis wenigstens eine Staubschicht liegen bleibt.

S: Der Junge, die Ostsee…

G: Aber da wird nix bleiben, ich weiß es jetzt schon, nix bleibt!








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M: Noch ungefähr 30 Minuten, dann beginnt die vierte Szene des zweiten Teils. Eine sehr intensive und persönliche Szene, die sie sofort in ihren Bann ziehen wird.

G: Eine Szene die den Schlüssel zum Verständnis dieses Abends in sich trägt.

S: Diese Szene wird alles zueinander ins Verhältnis setzen, was in ihrem Leben schief liegt. Sie wird Liebe wecken, wo nur Schlamm ist.

G: Ihr Konto wird ausgeglichen sein.
 
M/S: Und Sie auch.

M: Umgefallenes richtet sich auf. Der Vater verzeiht der Mutter.
 
G/S: Oder umgekehrt.

M: Ihre Kinder kehren zurück, angetrieben vom Bewusstsein,

G/S: „Wir geben jetzt was zurück“.

S: Tote, die Ihnen nicht mehr verzeihen konnten, senden ein Zeichen der Vergebung.

G: Überfahrene Haustiere werden lebendig.

S: Und die Miniermotte ist vernichtet.

M: Das Kleine wird groß, das Große wird weit.

S: Brad Pitt,

G: Obama,

M: und Angelina sind küssbar.

G/S: Das Auto ist durch den TÜV,

M:  …und die finstere Mondseite…

G/S: …voller Blumen.

M: Die Trägen und die Siechen baden im Stechlin.

G: Geld ist überbewertet.

S: Der bucklige Nachbar ist ein Zauberer

G: und sie können endlich wieder

G/M/S: Du

G: …zu sich sagen.

M: Ambrosischer Paradiesduft vertreibt verpesteten Mief des Alltags. Etwas ist wertvoll.

G/S: Warme Überraschungen.

M: Asiatische Gleichmut.

G/M/S: Ritterschlag des Glücks. Gleich hier bei uns. In der vierten Szene des zweiten Teils. Von uns für Sie. Durch Sie, für uns. Durch uns und mit uns und in uns.
Bitte, gedulden Sie sich noch einen kleinen Augenblick.