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LAST MEMORY: HÜLYA S.



Neues Deutschland, 3.11.10


Eine exzellente Inszenierung, die sich durch Ideenreichtum und ungewöhnliche Mittel auszeichnet – Unglaubliches am Stück.
Lässt sich der Vorname Hülya mit Illusion und Fantasie ins Deutsche übersetzen, so prägen diese die von Böttcher auch geschriebene Inszenierung.
Die 18-jährige Deutsch-Türkin Hülya war in Berlin in einer heißen Mainacht am Görlitzer Ufer zu Tode gekommen. Die seinerzeit ermittelnde Kommissarin ist inzwischen selbst am Ende ihres Lebens angelangt. Doch aus dem Sterben wird nichts, denn die noch am Rande des Totenreichs herumgeisternde Hülya stößt sie zurück und wird sie dort erst einlassen, wenn der Fall gelöst ist.
Böttcher nennt sein Konzept interkulturelle, multiästhetische Wahrheitssuche. Er lässt türkisch-arabische Erzählweise in einer reizvollen Art auf Berliner Alltag treffen und würzt das mit schwarzem Humor.
Die weißen Planen auf der Bühne sind der Nebel, der sich über die Erinnerungen der Kommissarin gelegt hat.
Wie oft, wenn es an Ermitteln geht, kommen Geheimnisse aller Betroffenen ans Licht. Nicht bewältigte Probleme liegen bloß.
Außergewöhnlich an Mirko Böttchers Inszenierung ist die musikalische Seite.
„Hülya“ ist ein starkes Stück, an dem auch Anne Verena Freybott mitarbeitete, die mit Böttcher im Heimathafen Neukölln schon „Von Kartoffeln und Kanaken“ produzierte.



Siegessäule, 1.11.10


Die Suche nach dem Mörder entwickelt sich spannend wie ein guter „Tatort“ und spielt amüsant mit den Vorurteilen. Dazu tragen auch die Männer des Ensembles mit ihren Doppelrollen bei. Der deutsche Meister im Beatboxen und das merkwürdige Instrument Theremin schaffen die passende Klangwelt. Das Ende des gelungenen Abends überrascht.



 

artiberlin, 11.11.10


Autor und Regisseur Mirko Böttcher lässt vor der Kulisse weiß bespannter Plastikwände ein eng verwobenes Geflecht von Erinnerungen, Wahrheiten, Erdachtem und Klischees entstehen. Kaum ein Thema könnte aktueller und spannender sein in einer Stadt wie Berlin…



Berliner Zeitung, 27.10.10


Denn so, wie Rynkowski auf dem Instrument der Unsichtbarkeit spielt, konstruiert eine Kommissarin (Anette Daugardt), die bald als zentrale Figur den Bühnenraum betritt, aus flüchtigen Erinnerungsspuren das Bild einer vergangenen Tat.
Zumindest versucht sie das in Mirko Böttchers Ermittlungsstück "Last Memory: Hülya S.", das wie alle guten Krimis am Ende weniger aufklären, als eine Art metaphysischer Thriller sein will. Je mehr Zeugen die Kommissarin befragt zu dem Mord an der 18-jährigen Deutsch-Türkin Hülya S., die eines Nachts im Landwehrkanal trieb, desto weiter entfernt sie sich von einer Lösung des Falls.
Böttcher, der auch Regie führt, hat den Theaterdiscounter dafür mit halbdurchsichtigen, blass beschrifteten Plastikvorhängen durchschichtet, mit kleinen Wasserbassins und Topfpflanzen bestückt und damit ein traumverdichtetes Wunschkammern-Interieur gebastelt, in dem sich der Tatort Tiergarten überschaubar macht. Und ein schauspielerisch zwar ungelenkes, aber szenisch durchdachtes Gedächtnistheater entspinnt sich: Freuds Wunderblock-Vision von den sich selbst überschreibenden, auswischenden Gedächtnisschichten grüßt durch die Vorhänge.