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Textauszüge


© Landesbühne Berlin 2011




S: Ich bin ein Star…ich…eigentlich, bin ich ein Star. Ich. Früher. Als es noch echte Stars gab, echte Freundschaft, echte Liebe… da war ich… da hab ich… den Briefkasten total ignoriert. Es ging rein und genauso wieder raus. Es hat mir gefallen plötzlich geben zu können.

G: Wir müssen ihr helfen. Du musst ihr helfen.

M: Wieso, sie kann doch ihren Charakter wechseln.

G: Sie braucht uns. Ansprache, Begleitung, Gemeinsamkeit.

M: Ich hab nur Ausnahmemenschen als Freunde und die brauchen keine Hilfe und wer nicht mein Freund ist, dem helf ich nicht.

S: Früher, da konnt ich so sein, wie ich wirklich war. Also wirklich wirklich. Hamlet habe ich 50mal gesehen. Alles finanziert. In Kenia ein Haus abbezahlt. Ich bin zu American -Express gelaufen und habe überwiesen und überwiesen…Meinen Männern, meinen Freundinnen…

G: Ich finde das so menschlich, wirklich so menschlich. Wir müssen ihr helfen.

M: Ich bin kein Befehlsempfänger.

G: Es gibt nicht die Gesetze der Fürsorgepflicht, es gibt nur das Gesetz der Fürsorgepflicht und das ist absolut und das sagt: Hilf ihr!

M: Das find ich nicht gerade sexy!

G: Das soll auch nicht sexy sein das soll real sein. Kümmere Dich, dann bist Du da. Das ist ein Statement: Unmodern und durch und durch politisch.

S: Meine Kollegen von damals: Zwei sind gestorben, einer hatte einen Schlaganfall.
Die Steuerberaterin wurde ermordet. Ich habe sehr viel geweint. Ich will wieder auf die Bühne. Selbst wenn das Sozialamt nicht mehr zahlt und die Gage nicht so hoch ist
Ich will wieder da sein

M: Wird die denn dann irgendwie dokumentiert, diese Hilfe?

G: Sie geschieht in der Öffentlichkeit.

M: Ich seh keine Kamera.

G: Da sind Menschen.

M: Wenn die das dann posten, wäre es ok.

G: Ich poste alles.

M: Dann muss sie aber erst beweisen, dass es ernst ist, dass sie wirklich ein Star war.

S: Das ist aber ungezogen….Weiß ich nicht…weiß ich nicht wie man so was beweist….wie macht man das? Soll das etwa lustig sein?

M: Wir wollen ja jetzt mal runterkommen vom Lustig-Sein.

S: Könnt ich denn ein Glas Sekt haben? Das muss doch möglich sein. Ein Gläschen. Ich ersticke hier sonst. Früher bin ich ersoffen in Champagner.

M: Das ist doch eine ganz schlechte Starsimulation.

S: Das ist unmittelbarer Ich-Ausdruck. Das ist das Ende der Fahnenstange. Das ist mein Körper. Und der kotzt sich aus. Das passiert mir bloß.

M: Das ist eine ganz miese Körperinterpretation.

S: Mein Körper reagiert nur. Das ist alles.

G: Es ist vollkommen gleichgültig, ob sie posiert oder existiert. Das Einzige was zählt ist der öffentliche Akt der Hilfe. Der Sieg des Sozialen. Der muss gezeigt werden. Egal, ob Deutung oder Leben. Also los, überwinde Dich, komm ins Leben. Hilf ihr!

M: Ich fass die nicht an. Die ist klebrig und riecht und schwitzt. Das gefällt mir gar nicht. Das lehne ich ab!

S: Sag ich doch: Alles echt.

M: Ich versau mir nicht meinen sauberen Dokustream durch so einen behaupteten Dreck, den ich nicht einmal wegklicken kann.

G: Deine Fürsorge wäre wahrer Terror! Ein Akt, der den Staat, der alles Öffentliche privat, alles Persönliche privat, überhaupt alles privat macht, und dadurch sich selber abschafft, ein Akt also, der diesen Staat, der sich selbst abschafft, torpediert und dadurch stabilisiert, ein sozialer Terrorakt, ein Appell der Fürsorge, ein staatszerstörender Staatserhaltungsakt.
Kapierst Du das, du Scheißdigitalfragment.

S: Hier! Das ist authentisch-ganzheitliche  Einsamkeit.

M: Und das ist autonome Sozialverweigerung.

G: Und das ist gescheiterter Kooperationswille.

S: Und das ist die Überwindung der Soziophobie.

M: Und das ist der Aufruhr der Ich-Gewerkschaft.

G: Und das ist das Vortäuschen politischen Bewusstseins.

S: Und das ist eine zerstörte Frisur…








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M: Mein Sicherungssystem ist eigentlich ein Klassiker:
Um das Zentrum liegen drei kreisförmige Zonen. Von außen sieht man nicht, dass hinter dem ersten Ring noch zwei innere Grenzen folgen.
Öffnet sich die äußere Grenze, entsteht der Eindruck man sei schon im Zentrum.
Das gibt mir die Möglichkeit mit dieser Teilöffnung ein attraktives Fusionsangebot zu machen, um andere Systeme zu öffnen, die ich dann aber sogleich komplett übernehme.
Fusion kann nur ein Verlust für mich sein. Die äußere der inneren Grenzen sieht so aus, wie man sich ein Zentrum vorstellt, daher versucht keiner da durch zu gehen, was aber eigentlich ganz leicht wäre.

Aperol spritz, Campari-Orange, Prosecco?

Über den inneren Ring und seinen unmittelbaren Bezug zum Zentrum möchte ich hier keine Auskunft geben.

Carpaccio vom Thunfisch, gern auch Antipasti.

Ist die Peripherie sicher, ist das Zentrum sicher. Generell gilt also: Anfahrtswege bewachen, Taschen durchsuchen, Schwachpunkte ausmachen, in Sicherheit wiegen und die Stärken benutzen.

Erste Rauchpause. Glas Rotwein!

S: Mein Sicherheitssystem ist eher Bio. Keine Wände, kein Stahl oder Stein, mehr so teildurchlässige Membranen.. Der Andere denkt er kommt wo nicht rein und dann geht’s ganz einfach und er hat gar kein Problem mit ner Grenze oder so.
Das verändert den Ankömmling, macht ihn geschmeidig. Er flutscht durch, öffnet sich dabei selber, weil es so angenehm ist und dann können wiederum kleinste Teilchen meines Biosystems andocken, seine Ziele erkennen und modifizieren.

Fischhäppchen, Aalconsommée ?
Rinderfilet an Prinzessböhnchen
Ofenkartoffeln?

Wenn er drin ist, muss er sich anpassen und merkts nicht mal.

Rotwein?

Zudem pass ich mich auch an. Je nachdem, manchmal werd ich gar nicht sichtbar. Manchmal seh ich genauso aus wie mein Gegenüber oder wie das, was er sich immer schon erträumt hat. Für den Notfall habe ich noch ein Arsenal an verwirrenden Duftnoten.

Rehrücken, Kalbsbries oder gleich Moussakka.

G: Ich sitze auf so nem Balkon und hab nen guten Überblick, unter mir drei Stockwerke gespickt mit Kippschaltern, Wippschaltern, Stufenschaltern, Rastschaltern, Wahl-Schaltern, Signalschaltern,  Schutzgeräteschaltern und klassischen Schutzschaltern. Wenn der Strom ausfallen sollte, helfen althergebrachte Riegel und Schieber.

Nochn Nachtisch? Eis, Créme brulée, Tiramisu? Kleinen Ramazotti, Averna, Grappa?

Da kommt keiner durch, wenn ich das nicht will. Die Aufgewühlten sind die Ausgewählten, die dürfen rein.
Ich muss trotzdem immer wachsam sein. Es gibt da nämlich noch einen Weg, hintenrum, der ist ganz einfach. Wenn den einer findet, dann kann er direkt zu mir auf den Balkon und mich am Nacken packen. Den kann ich nicht sichern. Das macht mir Alpträume.

Zweite Rauchpause, Zigarettchen, Zigarre ? Oder ein bißchen Koks?

M/G/S: Zusammen sind wir Mitglied in einem Verein, die über enorm schlagkräftige Truppen verfügen. Diese Truppen kümmern sich um alles, was wir nicht leisten können.

Chips, Flips, Käsespießchen, Roquefort, Appenzeller, Gouda, Emmentaler??

Wir zahlen saftige Beiträge, sind aber nicht mehr verantwortlich dafür, was die Truppen so alles machen. Wir wollen es auch gar nicht wissen.

Kaffee. Espresso. Wodka?

Es gibt teure und billige Systeme. Das Teure ist aber nicht das Beste. Es kommt nicht auf den Preis an. Das Individuellste ist natürlich das Sicherste.

Nochn Weinchen, nochn Zigarettchen, nochn Schnäpschen, nochn Nüsschen, nochmal Chips, Flips, Käsespießchen? Mensch komm…

Gut ist auch, für den Fall, dass das erste System versagen sollte, ein zweites in der Hinterhand zu haben.
 
Chips , Flips, Schnäpschen.

Sollten allerdings alle gleichzeitig ausfallen, bleibt nur noch die Flucht.